Die Gruft auf dem alten Friedhof
Auf dem alten Gottesacker befindet sich ein hochinteressantes Bauwerk, die herrschaftliche Gruft, im Volksmunde die Hainewalder "Ungeduld" oder "Unruhe" genannt. Ihr Erbauer ist Oberst Otto Ludwig von Kanitz, der auch die Kirche und Schule erbaut hat. Das Gruftgebäude, welches 1715 erbaut wurde, liegt östlich von der Kirche an der Seite gegen das herrschaftliche Schloß; es ist im neueren Renaissancestil (Barock) gehalten, mit römischen und griechischen Verzierungen ausgeschmückt und fast durchweg aus Sandstein ausgeführt. Es bildet ein Viereck, dessen Dach in Kreuzesform angelegt ist. Von den 16 symbolischen Figuren, welche die vier Seiten schmücken, sind je zwei über dem Dachgesims in sitzender, die anderen beiden unten an der Mauer in Nischen in stehender Stellung angebracht. Eine weitere Figur krönt das Dach. Diesem symbolischen Schmuck liegt der Hauptgedanke zu Grunde: die irdischen Trübsale verwandeln sich in jener Welt in himmlische Freude. In jedem Feld befinden sich rechts die Figuren, welche das Irdische, links diejenigen, die das Himmlische darstellen. Die einzelnen Figuren sind mit lateinischen Sentenzen bezeichnet die an Bibelstellen erinnern. An den die Nischen trennenden Feldern befindet sich in der Mitte oben ein Totenkopf mit Helm, dahinter Fahnen und Waffen aus Sandstein. An jeder Ecke des Dachgesimses stehen zwei steinerne Urnen mit auflodernden Flammen. Über dem Eingang sind das von Kanitzsche und das von Kyawsche Wappen und eine Steintafel mit der Jahreszahl 1715 angebracht. Das Innere des Gruftgebäudes ist einfach und schmucklos. Dem Eingang gegenüber befindet sich ein altarähnlicher Aufbau, welcher mit Gipsornamenten versehen ist und von Gipsfiguren überragt wird. Am Altar knien zu beiden Seiten zwei lebensgroße Gipsstatuen, darstellend Herrn Otto Ludwig von Kanitz und seine Gemahlin Viktoria Tugendreich. Leider sind beide Figuren etwas beschädigt und zwar, wie die Tradition angibt, im siebenjährigen Krieg durch die rohe Hand von Kroaten, welche im Gruftgebäude sowohl als in der Kirche ihre Quartiere aufgeschlagen hatten. Die Bauleute der Gruft sollen Italiener gewesen sein, von denen eine große Anzahl unter August dem Starken nach Sachsen, besonders nach Dresden gekommen waren (Eine eingehende Beschreibung der Gruft findet sich in Nr. 161 der Bautzner Nachrichten von 1883 aus der Feder des damaligen Kirchschullehrers von Hainewalde, A. Schuster).
Anordnung und Bedeutung der Figuren mit Inschriften
Westseite (Eingang)
rechts: Der Tod als Triumphator mit Szepter und Krone (Haec
ultima rerum Linea)
links: Die Gesundheit, eine minervaartige Figur mit einem Hahn
und Lorbeerzweig, mit den Füßen auf zerbrochene Arzneigläser
tretend (Sanos nil afficit artus)
o.re: Die Krankheit, eine Alte, den umwickelten Kopf mit
kummervollem Ausdruck auf den Arm gestützt. (Morbo grassante per
artus)
o.li: Das ewige Leben, geflügelter Genius mit Schlange in der
einen Hand, mit der andern einen Totenkopf wegschiebend (Nulla
est hic clausula vitae)
Nordseite
rechts: Die Bedrängnis, Frau entsetzt zusammenfahrend, während
ein wütender Hund an ihre Brust springt (Nescia confugii)
links: Die himmlische Lust mit Füllhorn und Trinkschale
(Deliciae florent et grata voluptas.)
o.re: Die Unruhe, in der einen Hand einen Perpendikel, in der
andern anscheinend einen Schild, Schutz suchend, hinter sich
haltend (Nihil eae qvieti)
o.li: Gekrönte Frau mit Zepter und Himmelskugel (Splendore
augusto)
Ostseite
rechts: Die Sorge, Frau mit gramverzehrtem Gesicht, in der Linken
ein Herz haltend, an dem eine Schlange nagt (Coqvunt fixae sub
pectore curae)
links: Die himmlische Ruhe mit freudestrahlendem Gesicht, den
linken Arm auf eine Säule gestützt, in der Rechten eine Lilie
haltend, auf dem Haupte sitzt eine Taube (Secura hic otia
regnant)
o.re: Das Ungemach allegorisierend, auf Dornen liegend und unter
der Last einer Säule zusammengebrochen (Mala mille molestant)
o.li: Der Friede, in reichem Gewand mit Ölzweig und Merkurstab
(Belli posuere tumultus)
Südseite
rechts: Der Wahnsinn, alte Frau mit verzerrtem Ausdruck, sich die
Haare raufend (Aegram conturbant nubila mentem)
links: Die heitere Freude, jugendliche Figur, Blumen im Haar,
einen mit Laub umwundendn Speer in der Hand, triumphierend nach
oben sehend (O facilis risus o gaudia blanda!)
o.re: Die Furcht mit ausgelösten haaren und beflügelten Füßen
(Metus addidit alas)
o.li: Die Ewigkeit, auf der Himmelskugel sitzend, das Haupt von
Strahlen umgeben, in der Rechten einen Stab, in der Linken einen
Ring haltend (Nec finis nec meta dicrum)
Dach
Die Fama, Engel des jüngsten Gerichts mit Posaune
Einzelne Bestandteile der Figuren, wie Posaune, Lorbeer, Lilie
und Speer, sind nicht oder nur teilweise erhalten geblieben.
siehe auch